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Die Entdeckung des Bregenzerwalds

Die Entdeckung des Bregenzerwalds

Die Entdeckung des Bregenzerwalds

Wie heute die Katkauer erschienen einst die damals Tabak kauenden Bregenzerwälder deutschen Besuchern wie eine fremde Ethnie mit eigenwilligen Bräuchen. Auch herrsche zwischen den Gemeinden Zwist und die Frauen seien viel gewandter als die Männer, behaupteten die durchreisenden Schriftsteller.

Ethnotourismus ist en vogue: Reisen zu „ursprünglichen“ Kulturen, von denen man erwartetet, dass sie, mit sich selbst und der Natur in Einklang, Bilderbuchlandschaften bevölkern und damit den Stereotypen ihrer temporär zivilisationsmüden Besucher* innen gerecht werden. Auch den ersten Reisenden, die im 19. Jahrhundert den Bregenzerwald „entdeckten“ und gern darüber schrieben, ging es nicht nur um die Bergwelt, sondern auch um die dortige – in moderner Begrifflichkeit: indigene – Bevölkerung. Schon 1827 attestierte der schwäbische Gelehrte und Dichter Gustav Schwab ihr „viel Anlage zum Witz, Leichtigkeit in Behaltung aufgefaßter Ideen, Fähigkeit in schneller Trennung und Verbindung der Begriffe“ […] „viel Gefühl für Anstand und edle Freimüthigkeit“ sowie „schuldlose Schalkheit“.

Den „Hügeleinwohnern des vordern Bregenzerwaldes“ sage man freilich einen Hang zur Trunksucht nach. Beeindruckt vom „Selbstgefühl“ und „edlem Stolz“ der Bregenzerwälder zeigte sich Karl Wilhelm Vogt, der 1840 die Talschaft durchwanderte. Ähnlich auch Andreas Oppermann im Jahr 1859: „Was soll ich von den Menschen sagen? Bieder und gutmüthig, besitzen sie doch auch einen hellen, schnell Alles erfassenden Verstand und eine anmutige Grazie des Geistes.“ Einzig Ludwig Steub fand 1878 den Wälder „zugeknöpft“: „Er vergisst sich selten so weit, den Fremdling auf der Straße oder im Wirthshause zuerst zu grüßen, oder ihm das erste Wort zu schenken. Wenn man ihm aber die verdiente Ehre erweist, ihn zuerst grüßt, zuerst anredet, ihm mittheilt, daß er in den letzten Jahren wieder etlichemal entdeckt worden sei und daß sich die Welt jetzt fast nur mit ihm beschäftige, dann schmilzt das Eis um sein stolzes Wälderherz, und er kann recht munter und gesprächig werden.“ Viel Licht also und wenig Schatten? Neben dem weit verbreiteten Tabakkauen, das „Beulen im Munde und an der Wange“ verursache, konnte sogar der Feriengast bemerken, dass Solidarität selten über die Ortsgrenzen hinausreichte: „Es wird auch von den Wäldern selbst zugestanden, daß gemeinnützige Unternehmungen und Verbesserungen bei ihnen nicht durchzuführen, weil die Gemeinden gegen einander zu scheelsüchtig und zu gehässig seien.“ (Ludwig Steub)

Die besondere Aufmerksamkeit der zumeist alleine reisenden Schriftsteller galt den Wälderinnen: „Die Frauen verleihen dem ‚Walde‘ erst jenen eigenthümlichen Zauber, der jeden fremden Wanderer auf das Angenehmste überraschen muss“, sie „sind in ihrem Benehmen äußerst unbefangen“, „plaudern außerordentlich gern und viel, doch sind sie leider etwas weniger leicht zu verstehen als die Männer, da sie bei weitem rückhaltloser den Dialekt vorherrschen lassen“, so Andreas Oppermann. „Ich habe im Ganzen im Bregenzer Wald zwei Frauentypen gefunden: große stattliche, aber ein wenig ascetische Figuren – Blondinen – und kleine, runde, lebensfrische Gestalten – Tiefbrünette –. Erstere haben etwas Aristokratisches, ihre Haltung ist grade, ernst und würdig, nur beim Sprechen durch große Anmuth bewegt, der Gesichtsschnitt fein und edel, die Gestalten sind ebenmäßig, aber mehr dem Magern zugeneigt.“ Der andere Typus sei „klein und voll“, „aus den großen schwarzen Augen“ spreche „Lebenslust und Schalkheit“. Allerdings: „Nur Eines mangelt ihnen wie ihren blonden Schwestern völlig: die Brust. […] Dies mag mit daher kommen, daß Mütter solchen Töchtern, die etwa vor andern Mädchen sich durch das, was diesen fehlt, auszeichnen könnten, tellerartige Hölzer anschnallen und so mit Gewalt eine der schönsten Zierden des Weibes in ihrer Entwicklung hemmen.“ Diese verstörende Praxis ist noch ein halbes Jahrhundert später in der medizinischen Literatur bezeugt.

August Wilhelm Grube billigte den Wälderinnen 1875 „überhaupt mehr Gewandtheit und Lebensart“ zu als ihren Männern, „die, wie es scheint, auch in manchen anderen Stücken das Herrschaftsscepter willig der schöneren Hälfte ihres Ichs überlassen.“ Die Bregenzerwälder „Weiberherrschaft“ ist auch in Franz Michael Felders Roman „Reich und Arm“ thematisiert und auf diesem Weg zum Standardtopos geworden. Ob man innerhalb weniger Tage, auch wenn man zu Fuß unterwegs war, überhaupt so pauschale Eindrücke gewinnen konnte, sei dahingestellt. Die Einheimischen ließen sich die im Großen und Ganzen schmeichelhaften Versuche reisender Intellektueller, die regionale Mentalität zu ergründen, jedenfalls bereitwillig gefallen. Manches davon haben sie sich wohl bewusst oder unbewusst zu eigen gemacht.

Autor: Alois Niederstätter
Ausgabe: Reisemagazin Bregenzerwald – Sommer 2022

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