DE EN FR

Hier kommt das User Feedback

Telefon E-Mail Info

Gäste-Card
ab 3 Nächten
kostenfrei

1.5. - 31.10.2024

Gewitter im Blätterdach

Gewitter im Blätterdach

Gewitter im Blätterdach

Sie haben ein Baumhaus gebaut: Mutter, Vater und die beiden Söhne Baldauf. In Bäumen am eigenen Hof in Sulzberg. Was sie sich damit an Baumiseren eingehandelt haben, lässt sich jetzt nicht mehr nachvollziehen. Aber die Gäste sind begeistert. Und die Autorin erlebt darin Donner und Blitz.

Ich throne auf dem Dach eines Baumhauses und schaue ins Tal, wo man unter der Hitze stöhnt. Ein schwerer, urtümlicher Geruch feuchter Erde liegt in der Luft, vermischt mit dem Duft nach Heu, Holunderblüten und Pferden. Über den Wipfeln schweben die Vögel im Aufwind. Ein Milan kreist über meinem Kopf, ich kann das Sausen seiner Schwingen hören. Blätter und Nadeln dämpfen das grelle Sonnenlicht. Meine Sehnsucht wird still. Mit diesem Baumhaus hat sich die Familie Baldauf in Sulzberg nicht nur ihren eigenen Traum erfüllt. Ob in Costa Rica, Afrika oder Thailand, von einfachsten Bretterverschlägen bis hin zu palastartigen Häusern wird alles angeboten, was zwischen Astgabeln zu finden ist. Der Baumhaus Tourismus boomt. Auf Airbnb gibt es dafür eine eigene Kategorie. Vielleicht haben wir mehr mit Schimpansen gemeinsam, als uns lieb ist, und möchten auch Nester aus Zweigen ins Dickicht flechten. Oder wir haben uns zu sehr von Robinson Crusoe, Tarzan, Peter Pan und Avatar romantisieren lassen.

Bernhard Baldauf nagelt schon als Kind Hütten in Bäume. Er wächst auf einem landwirtschaftlichen Hof in Sulzberg auf und träumt davon, eines Tages ein „richtiges“ Baumhaus zu bauen. Wohlweislich wird er Tischler. In seinem Einmannbetrieb macht er Vollholzmöbel. Seine Frau Barbara ist Standesbeamtin. Die beiden bekommen zwei Söhne – Lukas und Severin. Auch sie bauen eine Baumhütte nach der anderen, ein Refugium, zu dem Eltern keinen Zutritt haben. Stets sind Freunde dabei. Immer knistert ein Lagerfeuer – unter dem Baum natürlich. Mit Hammer und Zange können die Buben umgehen. Nur Schlaf finden sie in ihren Hütten nicht so richtig: Der Regen tropft durchs Dach, außerdem passt keine Matratze hinein, auf der man sich ausstrecken könnte.

Heute unterrichtet Bernhard an der Berufsschule und baut Möbel an Wochenenden. Nach einem Studium in Wien an der BOKU arbeitet Severin in Liechtenstein als Projektassistent für Boden- und Umweltschutz. Lukas wird Schlossermeister und zieht als Hufschmied durchs Land. Pferde begeistern die Familie. Die Baldaufs haben vier Kleinpferde, mehrere Sportkutschen und nehmen an Fahrturnieren teil. Sie kutschieren am Trainingsplatz ebenso wie über Güter- und Forstwege. Viele Medaillen glänzen im Stall. Bernhard bringt es im Gespannfahren zur Weltmeisterschaft, Lukas wird Staatsmeister, Severin Vize-Europameister.

Alles gut. Wenn da nicht dieser verflixte Kindertraum wäre: das Baumhaus! Ärger beim Hausbau kennt man, Ärger beim Baumhausbau weniger. Zum Glück wissen die Baldaufs nicht, welche Hindernisse vor ihnen liegen. Jeder rät ihnen ab. Trotzdem stehen sie eines Winters mit dem Architekten Georg Bechter vor einem Schlag aus Ahorn, Birke, Fichte, Tanne, Ulme und Weide. Sie möchten das Haus in die Bäume hängen. Es soll sich nach oben winden und man soll darin schlafen, kochen und sich duschen können. Die Schwierigkeiten beginnen. Ein Baumologe stellt fest, dass diese Bäume das Gewicht nicht tragen. Ein Statiker schreibt vor, dass im Erdreich hundert Tonnen Gegengewicht verankert sein müssen. Weil kein Baum weichen soll, löst ein Untergestell aus Stützen das Problem. Das rohe Eisen soll im Blätterwald verschwinden. Den Entwurf, an dem sie ein halbes Jahr tüfteln, reichen sie ein. Ein enormer Behördenaufwand. 24 Quadratmeter Fläche müssen umgewidmet werden. Nach fünf Jahren endlich ein positiver Baubescheid von Bürgermeister Helmut Blank. Bernhard kauft einen Kran. Damit lassen sie sich bis zu dreizehn Meter hochheben. Alles wackelt, trotzdem wird geschweißt, gebohrt und gehämmert. Eine schwierige Baustelle. Die Dachschindeln nageln sie zu regelmäßig. Es sieht aus wie eine Burg. Sie schlagen die Schindeln wieder herunter und beginnen von vorne.

Sobald ein neues Problem auftaucht, setzt sich die Familie zusammen. Das Zu- und das Abwasser droht einzufrieren. Heizbänder müssen in die Stahlrohre. Nach dreieinhalbtausend Stunden Eigenleistung hören sie auf zu schreiben. Zwei Jahre Freizeit steckt in diesem Bau. Alle vier helfen zusammen. „Allein kann man so etwas nicht bauen“, sind sie sich einig. „Der finanzielle und der zeitliche Aufwand sind enorm.“ Barbara kümmert sich heute um die Vermarktung. Im Juni 2021 ziehen die ersten Gäste ein. Die einen verkriechen sich, trinken nur Säfte und machen Yoga. Andere grillen morgens, mittags und abends. Manche schlafen am Dach unter Sternen. Ein Trompeter liebt die Akustik. Finanzpolizisten, Amtstierärztinnen, junge Verliebte – mehr als die Hälfte kommt aus Vorarlberg. Manche schalten das WLAN aus, andere arbeiten, so wie ich. Der Wald seufzt. Der Himmel verdunkelt sich. Ist das ein Wind! Lichtblitze zucken, Donner fährt auf die Hügel nieder. Ich klettere die Leiter nach unten, kurble schnell die Luke zu. Laub schlägt gegen die Scheiben. Ich schlüpfe in die Koje, lausche, wie das Gewitter über mich hinwegbraust. Der süße Geruch des Regens hängt in den Bäumen. In mir wird es still, ganz still.

Autorin: Irmgard Kramer
Ausgabe: Reisemagazin Bregenzerwald – Sommer 2024

Gäste-Card Bregenzerwald & Großes Walsertal

Die „Eintrittskarte“ zu bewegten und genussvollen Erlebnissen ist die Gäste-Card Bregenzerwald & Großes Walsertal. Sie gilt für Bergbahnfahrten in aussichtsreiche Höhen, umweltfreundliche Fahrten mit öffentlichen Bussen und erfrischend-entspannende Freibad-Besuche.

Die Gäste-Card erhalten alle kostenfrei, die zwischen 1. Mai und 31. Oktober 2024 drei oder mehr Nächte in einer der 28 Partnergemeinden verbringen. Sie gilt vom Anreise- bis zum Abreisetag und wird von den Gastgeber*innen ausgestellt.

Mehr erfahren