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1.5. - 31.10.2024

Mit den Eierkurieren am Berg

Mit den Eierkurieren am Berg

Mit den Eierkurieren am Berg

Auf der Niedere, dem Hausberg von Andelsbuch, steht ein Restaurant namens „Niedere“. Es braucht für seinen Betrieb regelmäßige Eierlieferungen aus dem Tal. So treten einmal pro Woche drei Männer aus dem Bregenzerwald zum Kurierdienst an: Martin, Michael und Lorenz von der Lebenshilfe Bezau tragen die zerbrechliche Fracht in Rucksäcken sicher an ihr Ziel.

An einem Donnerstagmorgen geht unter einem wolkenlosen Himmel eine kleine Gruppe Männer taufeuchte Sommerwiesen entlang. Ihr Ziel ist der Christahof am Ortseingang von Bezau, genauer gesagt, mehr als 200 Eier. Sie stehen hier bereit, um zum Bergrestaurant Niedere bei Andelsbuch getragen zu werden. Dort oben enden sie in Knödeln, Wiener Schnitzel, Flädlesuppe und Kuchen. Die wertvolle Fracht allwöchentlich „aufgetragener“ Eier gelangt auf sichere Weise auf den Berg: nämlich auf dem Rücken der drei Eierkuriere Martin aus Bezau, Michael aus Schwarzenberg und Lorenz aus Au.

Die drei Männer von der Lebenshilfe Bezau bringen einmal wöchentlich per Bus, per Seilbahn und zu Fuß die fragile Fracht ins Bergrestaurant Niedere. Die Besitzerin Jasmin Wohlgenannt, eine ausgebildete Konditorin und Hotelfachfrau, hat sechs Jahre lang bei der Lebenshilfe Bezau gearbeitet. Seit 2013 führt die damals 25-Jährige den elterlichen Alpbetrieb. Ein Workshop zum Thema Inklusion brachte sie 2021 auf die Idee mit den Eierkurieren: „Der Christahof in Bezau, von dem wir unsere Eier beziehen, befindet sich ganz in der Nähe der Lebenshilfe – eine Zusammenarbeit lag da auf der Hand!“

Seit Sommer 2022 bringen nun jeweils drei Personen aus der Lebenshilfe Bezau gemeinsam mit ihrer Betreuerin Andrea Ritlop die Eier auf die Niedere. Andrea, Mutter dreier erwachsener Töchter, war früher unter anderem im Gastgewerbe tätig. Sie ist schon seit 15 Jahren bei der Lebenshilfe und schätzt ihre Arbeit sehr. „Wir sind von Mai bis Oktober bei jedem Wetter mit den Eiern unterwegs“, erzählt die herzliche Mittfünfzigerin. Liebend gern habe sie die Begleitung der Eierkuriere übernommen. Sie genieße diesen Ausflug ebenso, sagt sie lachend: „So komme ich aus dem Alltagstrott!“ Das zerbrechliche Gelege von Bregenzerwälder Freilandhühnern steht im Wirtschaftsraum des Christahofes bereit: verpackt in stoßsichere Eierkartons aus Kunststoff, dicht an dicht verstaut in zwei schwarzen Rucksäcken. Nun geht es mit dem Bus zur Talstation der Seilbahn Bezau. Von dort schweben die Eier zusammen mit Familien, Wandernden und Ausflügler*innen bis Baumgarten.

Die breite, muldenförmige Hochebene der Niedere erstreckt sich nördlich der Bergstation, am Gegenhang kauern die Alphütte und das dazugehörige Bergrestaurant. Ein breiter Kiesweg windet sich dorthin, durch Alpwiesen erst leicht ab-, dann wieder sanft ansteigend. Die Rucksäcke sind schwer, doch keiner der Kuriere würde sich beschweren, ganz im Gegenteil. Mit ruhiger Miene und in gemächlichem Tritt tragen Martin, Lorenz und Michael während der halbstündigen Gehzeit die Last abwechselnd auf ihrem Rücken. Kuhglocken bimmeln in der Ferne, rundherum herrscht sommerliches Insektengebrumm. In der Gaststube des Bergrestaurants herrscht zu dieser Morgenstunde Ruhe vor dem Gästeansturm. Noch staunt niemand über den Rundumblick, noch will niemand bestellen oder zahlen. Nur Jasmins Mama Irene sitzt mit ihren beiden Enkeltöchtern, der siebenjährigen Philina und der vierjährigen Linea, an einem der langen Holztische und sieht zu, wie die Mädchen mit großem Hunger eine Portion Riebel verspeisen. Hüttenchefin Jasmin empfängt derweil die drei Eierkuriere: „Donnerstags kann ich ein wenig das Heimweh nach der Lebenshilfe abstreifen“, sagt sie lächelnd. Sie setzt sich zu den drei Männern, die nun die Eier aus ihrer Transportverpackung schälen und sie behutsam in flache Kartons umschlichten. Dann kommen sie zur Verarbeitung in die Küche. „Speck- und Käse-Spinat-Knödel, Flädlesuppe, Wiener Schnitzel und viele verschiedene Kuchen: alles frisch und hausgemacht!“, zählt Jasmin auf.

Auf der Alpe Niedere, seit Generationen in Familienbesitz, arbeitetet von Mai bis Mitte Oktober die ganze Familie Feuerstein-Wohlgenannt mit. Jasmins Vater Leo hat schon als Bub auf dieser Alpe seine Sommer verbracht. Mitte der 1980er-Jahre übernahm er mit seiner Frau Irene auch das Berggasthaus. Heute betreuen zwei Generationen Feuersteins zusammen mit zwei Hilfen und zwei Ferialkräften sechs Sommermonate lang sieben Tage in der Woche Alpe, Vieh und Gasthof: „In dieser Zeit wissen wir abends, was wir tagsüber alles geschafft haben“, sagt Jasmin stolz. Der Tag beginnt im Morgengrauen: Gleich in der Früh versorgen Leo und Jasmins Ehemann Johannes Wohlgenannt die 28 Andelsbucher Kühe, die hier ihre Sommerfrische verbringen. Dann verarbeitet Leo die Milch zu Käse, und Johannes wechselt vom Stall in die Küche des Bergrestaurants. Bis zu 200 Gäste bewirtet er dort gemeinsam mit seiner Frau Jasmin, seiner Schwägerin Tanja und seiner Schwiegermutter Irene jeden Tag.

Johannes ist auf einem großen Bauernhof draußen im Rheintal aufgewachsen. Von Beruf ist er Schlosser, doch seit er der Liebe wegen in den Bregenzerwald gezogen ist, pendelt er zwischen Kühen und Kochen, zwischen den vier- und den zweibeinigen Alpgästen hin und her. Jasmins Mama Irene bäckt frühmorgens schon Apfelstrudel und kümmert sich um ihre Enkeltöchter, die im Sommer auf der Alpe aufwachsen. Die Logistikchefin des Unternehmens ist Jasmins jüngere Schwester Tanja: Sie lebt in Dornbirn, geht jeden Morgen einkaufen und überwindet dann mit dem voll beladenen Pickup den steilen Güterweg, um alle Lebensmittel nach oben zu bringen. Tagsüber packt Tanja ebenfalls in der Küche mit an. Als einziges Familienmitglied kehrt sie auch im Hochsommer abends ins Tal zurück. Mittlerweile steht die Mittagssonne am Himmel. Alle Eier sind verstaut und alle Neuigkeiten ausgetauscht. Die ersten Wandernden treffen im Bergrestaurant ein. Andrea und die drei Eierkuriere machen sich auf den Rückweg Richtung Seilbahnstation. „Für die Kommunikation mit unseren betreuten Mitarbeitenden braucht es ein wenig Fingerspitzengefühl und Erfahrung“, sagt Andrea. Habe man deren jeweils individuelle Sprache einmal erlernt, sei es nicht schwierig, einander zu verstehen.

Andrea kennt die Eigenheiten ihrer Mitarbeiter gut. Sie hilft stets nur dort, wo es Hilfe braucht. „Bei uns in Bezau arbeiten von Montag bis Freitag rund dreißig Personen von Alberschwende bis Schoppernau, eine bunt gemischte Gruppe. Alle mit nur leichten Beeinträchtigungen sind nicht nur Eierkuriere, sondern helfen auch bei der Post oder in der Kantine des Schulzentrums Bezau mit.“ Leider könnten nicht alle mit auf den Berg kommen: „Doch gerade für unsere drei mobilen Jungs, die mit der engen Seilbahnkabine und dem unebenen Schotterweg gut zurechtkommen, ist der Eiertransport eine willkommene und wunderbare Abwechslung. Ein toller Auftrag, für den wir Jasmin und ihrem Team sehr dankbar sind!“

Autorin: Babette Karner
Ausgabe: Reisemagazin Bregenzerwald – Sommer 2024

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