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Der Selbstdenker

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Er schätzt die Monarchie mehr als die Demokratie, weil sie wie ein ordentlicher Bauer ein funktionstüchtiges Erbe übergibt und nicht einem siegreichen Gegner verbrannte Erde hinterlässt. Hugo Waldner ist ein bemerkenswertes Exemplar eines Bregenzerwälder Kopfs.

Ich gebe zu, ich war skeptisch, als mich mein Freund Josef Rupp auf ihn aufmerksam machte. Er selbst sei dem Mann zu Dank verpflichtet, weil er sich für ihn eingesetzt und einiges möglich gemacht habe, was sonst nicht zustande gekommen wäre, zum Beispiel der Bau eines gemeinsamen Käsereifungslagers der Firmen Rupp und Alma. Aber nicht deswegen müsse ich mit dem Mann reden. Vielmehr handle es sich um ein bemerkenswertes Exemplar eines Bregenzerwälder Kopfs. Um einen Bauern aus dem Mittelwald, der nicht kraft Macht und Vermögen, sondern nur aufgrund selbsterworbener Bildung zu Ansehen kam. Außerdem, und hier wurde ich hellhörig, sei der Mann Monarchist. Das überzeugte mich. Ich informierte mich weiter und fand heraus, dass es sich bei ihm um den jahrelangen parteiunabhängigen Vizebürgermeister von Egg handelt. Auch als Leserbriefschreiber in der einzigen relevanten regionalen Tageszeitung kennt man ihn. Seine Interventionen haben literarische Qualität, sind knapp, scharf und in einem gehobenen, selbstbewussten Tonfall verfasst, wie man ihn heute kaum mehr liest. Zum Beispiel: „In seinem Beitrag vom 6. Juli stellt Herr X als Antwort auf meinen Leserbrief die Frage, ob nicht ein Neidkomplex die Triebfeder sein könnte, dass sich Talschaftsvertreter zum Schutze der Geschäfte in den Landgemeinden gegen den Messepark stellen. Sehr geehrter Herr X, bezüglich dieser Ihrer Vermutung darf ich Sie beruhigen und Ihnen ernst und aufrecht antworten: Wer mehrere Jahrzehnte ehrenamtlicher Tätigkeit auf lokalpolitischer Ebene einer Landgemeinde hinter sich hat, der hat erhabenere Beweggründe für seinen Einsatz als einen möglichen Neidkomplex! Wenn ein Neidkomplex die Triebfeder wäre, würde man im lokalpolitischen Ehrenamt maximal 25 Monate, und nicht 25 Jahre, durchhalten. Die Triebfeder ist hier ganz klar die, die Infrastruktur und den Lebenswert einer Gemeinde, in der man lebt, auch zu erhalten, und nicht dem Druck kapitalstarker Investoren in den Städten zu weichen. Hugo Waldner, Freien, Egg.“

Auch die Adresse ist nicht schlecht! Wer würde nicht gern im Freien wohnen? Was für einen würde ich da wohl treffen? „Erhaben“ und „Triebfeder“, das ist Vokabular aus Immanuel Kants Moralphilosophie, selbstbewusst eingesetzt in einem Leserbrief. 71 ist der Autor Waldner inzwischen, auch das wusste ich aus der Zeitung. Er gilt bereits als Zeitzeuge, denn er stammt aus einer Zeit, als es im Wald noch keine Melkmaschinen gab. Am Telefon verblüffte mich seine helle Stimme, klar wie eine hochgestimmte Trompete, mit einer leicht trotzigen, selbstbewussten Melodie. Als ich ihm im Wirtshaus Falken in Großdorf dann gegenübersaß, war das Erste, das mir auffiel, seine Lust. Hier hatte er einen, der sich mit ihm unterhalten, vielleicht sogar streiten wollte. Einer, der vielleicht anders dachte als er. Ob ich der Herausgeber des „Falter“ sei? – „Ja, der bin ich.“ – „Der gefürchtete?“ – „Wenn Sie meinen …“ Da lachte der Waldner verschmitzt und freute sich. Wie das gehe mit dem Monarchismus und dem Bregenzerwald, wollte ich wissen. Ob nicht der Wald berühmt sei für seine Urdemokratie. Waldner lachte. „Mein Gott und Vatter“, sagte er, mit dieser schönen landläufigen Redewendung sein Mitleid zum Ausdruck bringend. Unter seinen Vorfahren mütterlicher- und väterlicherseits seien genug Landammänner, sagte er. Das seien absolute Herrscher gewesen, keine Demokraten. „Es gibt keine Staatsform, die so viele Möglichkeiten zur Diktatur bietet wie die Demokratie, wenn man sie ausnützt. Die Landammänner hatten wenigstens eine Verantwortung.“ Wenn Demokratie eine Verwaltung der Gesellschaft ist, die im Sinne der Leute passiert, denke ich, dann ist der Mann wohl Demokrat. Sein Monarchismus ist eher symbolisch begründet, vor allem darin, dass Herrscherfamilien danach trachten, ein Erbe zu hinterlassen, während demokratische Parteien, die die Macht verlieren, ihren Konkurrenten vor allem verbrannte Erde zurücklassen wollen. Sein Ansehen hat er sich durch Selbstbildung erworben. Naturgemäß, möchte man fast sagen, hat auch hier Franz Michael Felder seine Finger im Spiel – in dritter Generation, in Gestalt seines Enkels, des Geistlichen Franz Willam, der ebenso wie der alte Großdorfer Pfarrer den jungen Waldner förderte und ihn mit Anregungen versorgte. Mehr als Volksschulbildung war nicht drin für ihn, aber das machte er durch lebenslange Lektüre wett. „Wenn Sie meine Bücher sehen, wüssten Sie nicht, ob ich ein Rechter oder ein Linker bin“, sagt er verschmitzt. Was ihm am meisten Spaß macht und ihm auch am meisten Respekt verschafft hat, waren und sind seine Auseinandersetzungen mit der Justiz. Ein Anwalt muss gewinnen, sagt er, ein Bauer darf auch verlieren, das ist keine Katastrophe. Aber wenn ein Bauer eine juristische Auseinandersetzung gewinnt, ist es ein Triumph. In drei von vier Fällen obsiegte Waldner am Landesverwaltungsgericht gegen die Bezirkshauptmannschaft. Waldner schiebt Sinnsprüche und Gleichnisse heraus, als wäre er eine Figur aus einer Erzählung von Peter Hebel. „Der Letzte von heute ist der Erste von morgen“, sagt er. „Es handelt sich um einen Unterschied von zwei Sekunden“. Beeindruckt fahre ich heim. Ich habe einen Konservativen kennengelernt, aber keinen Reaktionär. Das Konservative in Ökologie und Landwirtschaft hat sich ohnehin längst als das Revolutionäre erwiesen. Hugo Waldner ist ein Selbstdenker, um noch so einen Begriff von Kant zu bemühen. Das hält ihn, wenn nicht jung, so doch aktuell. Und in jedem Fall originell.

Autor: Armin Thurnher
Ausgabe: Reisemagazin Sommer 2019

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