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1.5. - 31.10.2024

Vom Lesen in sich selbst
C Michael Meusburger – Bregenzerwald Tourismus

Vom Lesen in sich selbst

Vom Lesen in sich selbst

Der Philosoph Peter Natter nimmt sich im Bregenzerwald Bücher vor und liest sie mit Blick auf seine unmittelbare Umgebung. Diesmal spricht der Autor über sein Buch „33 philosophische Orte in Vorarlberg“ und philosophische Persönlichkeiten im Bregenzerwald.

Zum Lesen in den Bregenzerwald, heute, um mich selbst zu lesen. Was auf den ersten Blick wie eine eitle Anmaßung erscheinen mag, ist auf den zweiten Ausdruck eines doppelten Privilegs. Selbstgeschriebenes zum Objekt der Lektüre zu machen, und gleichzeitig Subjekt dieser Lektüre zu sein, also eine Annäherung an mich selbst von innen wie von außen. Dass ich dieserart gerade hier, in meinem Bregenzerwald, auf mich treffe, erhöht den Reiz noch einmal, indem die Region das Philosophische in mir inspiriert und aktiviert, genauer gesagt: Das Philosophische der Region mobilisiert den Philosophen. Worum handelt es sich dabei? Ein philosophischer Ort in dem so verstandenen Sinn ist ein Ort, der ein philosophisches Thema – etwa das Schöne, Gute, Wahre oder Arbeit und Muße, Menschenbild und Weltanschauung, Tod und Geburt, Sprache und Schweigen, Moral und Ethik, Sein und Haben etc. – anschaulich macht. Das ist ein weites und immer wieder neu zu bestellendes Feld.

Einige meiner Erfahrungen zu diesem Thema habe ich vor einiger Zeit in einem kleinen Büchlein zusammengestellt: „33 philosophische Orte in Vorarlberg“ (edition v, 2023). Darin geht es um eine Vertiefung bzw. Überhöhung, aber nicht um eine Verklärung oder Beweihräucherung der Region. Also darum, sie in einen größeren Zusammenhang zu stellen und einzuordnen, und zwar historisch, wirtschaftlich, kulturell, sozial: ihre Gültigkeit in einem fast schon globalen Maßstab zu untersuchen. Neben anderen, sehr unterschiedlichen Vorarlberger Regionen, Orten oder Stätten habe ich das am Beispiel der Bregenzerachquelle, der Kanisfluh, von Bad Hopfreben, des Frauenmuseum Hittisau und Schnepfaus in meinem Büchlein vorexerziert oder durchbuchstabiert, wie man heute sagt. Weil jedoch in jeder Philosophie stets etwas ganz und gar Persönliches enthalten ist, wie einer, der es aus seinem eigenen Tun heraus wissen muss – Friedrich Nietzsche – festgestellt hat, möchte ich hier über die Orte hinaus- oder tiefer in sie hineingehen und vier Persönlichkeiten aus dem Bregenzerwald vorstellen, die das Philosophische, das Gründliche, das Suchen und Würdigen des Allgemeinen im Besonderen, des großen Ganzen im Einzelnen exemplarisch erlebbar machen. Über die Grenzen des Bregenzerwaldes hinaus blickt und wirkt Tischlermeister Markus Faißt aus Hittisau. Das Philosophische an ihm ist seine Autorität.

Wem dieser Begriff zu sehr nach Schulmeisterei, gar nach Rohrstock oder so klingt, erhält im Gespräch mit dem begnadeten Handwerker eine unvergessliche Lektion: Autorität kommt von Demut, um es noch deutlicher zu sagen: von Gehorsam. Was damit gemeint ist, erschließt sich zuerst im Umgang des Meisters mit seinem Werkstoff, dem Holz. Das lagert, nein: trocknet und reift in einem eigens konzipierten Gebäude. Weiters kommt dieser Gehorsam aus einem genauen Zu- und Hineinhören. Die Symbiose aus Material, Bearbeitung, Herstellung und Werkstück ist in jedem Handgriff praktische Philosophie, nämlich bewusste Auseinandersetzung, Einlassung, Selbsterkenntnis, Begegnung. Der Holzweg als Königsweg. Der Wirt im Hotel Gasthof Krone in Hittisau ist zumindest ein Gastrosoph, einer, der Weisheit in die Gastronomie bringt und aus ihr gewinnt. Dafür hält er sich einen Hausphilosophen: Weil ich hier wiederum von mir selbst spreche, darf ich diese etwas despektierliche Formulierung gebrauchen. Dietmar Nussbaumer versteht seine Arbeit als Teil von sich und seiner Familie. Wie beim Tischlermeister und naturgemäß noch intensiver stehen bei ihm Menschen im Vordergrund; Menschen, um deren Gastsein er sich viele Gedanken macht. Diese Gedanken kreisen nicht nur ums Touristische oder Ökonomische, sie nähren sich auch von Inhalten und Themen, die scheinbar weitab liegen.

Für die Gäste offenbart sich das etwa in einem exquisiten Weinkeller oder in engagierten kulturellen Veranstaltungen: Lesungen und Konzerte, in denen Heimisches und Mondänes sich die Hand reichen. Und eben ein Hausphilosoph, der da und dort ein Wörtchen mitredet und als sokratischer Begleiter sein Wesen treibt. Walter Lingg, Seniorchef der Krone in Au, ist kein Barockmensch, sagt er. Was weiß einer schon von sich selbst? Lust und Genuss liegen ihm laut Eigendefinition. Beim Architektonischen, beim Bauen hält er sich mehr an die Reduktion, die Essenz. Wenn das kein barocker Zug ist! Ein Blick in sein Haus zeigt es überall: Hier ist tatsächlich nichts Überflüssiges, nämlich nichts, das der (barocken) Pracht im Weg steht, von alten Wälderkanapees bis zum Konzertflügel.

Ob er sich als Philosoph sieht, frage ich ihn: Da kommt er fast ohne Umwege auf die Barockbaumeister zu sprechen, auf die berühmte Auer Zunft und was es bedeutet hat, dort lernen zu dürfen. Er spricht von Bildung, von Paradigmen, von Werten, vom Wesentlichen, vom Werk der Hände und dann gleich von seiner Passion, der Musik, jener „Musik, ohne die das Leben ein Irrtum wäre“ (Friedrich Nietzsche). Wenn das kein Philosoph ist! Philosophie und Bildung haben viele Berührungspunkte, eher Flächen als Punkte. Ganz nah am Geschehen ist Ariel Lang, der Direktor der zentralen Bildungseinrichtung des Bregenzerwaldes, des Gymnasiums in Egg. Mir ist er mit einer Lesung aus Nietzsche-Texten, vor Jahren im privaten Rahmen, unvergessen. Das war nicht einfach eine Lesung, es war eine Inkarnation. Kann Nietzsche eine Schule leiten? Ist Nietzsche, ist Philosophie ein Bildungsfaktor, gar ein Bildungsgut? Ausgerechnet Nietzsche (1844 – 1900), der alles andere war als ein Schulphilosoph, ein Schulgründer oder auch nur halbwegs systematisch Denkender. Oder doch? Ja, man kann Schuldirektor sein, Beamter mit Pensionsanspruch – und zugleich Philosoph. Und man muss die Philosophie nicht unbedingt vor sich hertragen, um in ihr zu sein. Der Bregenzerwald lässt mich nicht im Stich. Er lässt mich zur Welt kommen. Ob Orte oder Menschen, er führt mich und führt mir vor Augen, dass alles Tun und alles Sein aus einer Geschichte kommt und in einer Spannung begriffen ist, die sich gleich einem Regenbogen fragil, aber schillernd zwischen den Menschen und den Ereignissen, zwischen den Orten und mir erhebt.

Autor: Peter Natter
Ausgabe: Reisemagazin Bregenzerwald – Sommer 2024

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