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1.5. - 31.10.2024

Kultur auf bosnischer Spurweite
C Adolf Bereuter - Bregenzerwald Tourismus

Kultur auf bosnischer Spurweite

Kultur auf bosnischer Spurweite

Das Wälderbähnle, eine Schmalspurbahn mit bosnischer Spurweite, verband einst Orte im Bregenzerwald mit der Stadt Bregenz. Die Haltestellen lagen oft weit weg vom Dorfkern, was auch zur Einstellung der Bahn beitrug. In Andelsbuch ist das anders. Da steht das Bahnhofsgebäude mitten im Ort. Obwohl hier längst keine Züge mehr halten, kann man mit dem kulturverein bahnhof nun im Kopf weit „verreisen“.

Ein sonniger Frühsommermorgen in Andelsbuch. An den hölzernen Waggons vor dem alten Bahnhofsgebäude lehnen Fahrräder, Wildblumen säumen den Weg und die nur noch rudimentär vorhandene Gleisanlage. Eine Bank steht unter dem schattigen Vordach, an rostigen Ketten baumelt das Ortsschild daran. Ein Setting für einen Film. Drinnen in der Bar duftet es nach vergangenen Konzertabenden, nach Geselligkeit und nach dem Kaffee, den Sandra Pöltl, die Obfrau des kulturverein bahnhof, eben zubereitet hat. „Ich bin zwar relativ neu in dieser Funktion, den bahnhof kenne ich aber bereits seit vielen Jahren. Das erste Mal war ich hier zu einer wilden Party mit dem fantastischen Motto ,Rettet die Tiger‘. Einige Zeit später war ich zu einer Vorpräsentation der Holstuanar (die Band „holstuanarmusigbigbandclub“ – siehe auch die Kolumne über Andreas Broger in „Wälder weit, weit weg“) eingeladen. Ich kannte die nicht. Ich wusste nur, bzw. glaubte zu wissen, das sei nicht meine Musik. Ich sollte mich irren. Im Gegenteil, ich erlebte den ,Vibe‘ dieses Orts in seiner ganzen Bandbreite. Ich bin sofort in den Verein eingestiegen und wusste, da habe ich meinen Platz. Zwischen Tigern und den Holstuanarn.“

Viele Jahre sollte Sandra Pöltl den kulturverein bahnhof begleiten, gestaltete die Grafik, half viele Abende an der Bar aus, begleitete zwischenzeitlich die Holstuanar auf Konzertreisen, ging selbst für einige Jahre nach Wien und kam wieder zurück. Nach Andelsbuch. In den kulturverein bahnhof. Er wurde 1999 gegründet, mit dem Ziel, das alte Bahnhofsgebäude zu erhalten und Kulturveranstaltungen hierherzubringen. Was grandios gelang. Nach knapp zwanzig Jahren mit Hunderten von Veranstaltungen und viel Hingabe wollte die Gründungsobfrau Margarete Broger die Leitung in andere Hände übergeben. Der Verein hatte sich neu zu organisieren. „Es war vor mittlerweile fünf Jahren“, erinnert sich Sandra Pöltl. „Wir machten einen Workshop mit rund vierzehn Leuten. Ich habe mich nicht aktiv um die Leitung bemüht, aber ich wollte, dass es mit dem kulturverein bahnhof weitergeht. So entstand ein paar Jahre später ein erweiterter Vorstand, ich wurde 2021 Obfrau und dachte: Okay, wir sind ein Team, wir packen das, und dann wird alles gut.“

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Es kam aber die Pandemie. Doch das neue Team meisterte selbst diese Herausforderung. „Wir haben Programm gemacht, solange es möglich war: Konzerte, Lesungen, Kabarett mit Maske und der Hälfte an Sitzplätzen. Wir haben verschoben, umorganisiert, Informationen immer wieder korrigiert und via Newsletter verschickt. Es ging weiter, der kulturverein bahnhof war voll.“ Nach und nach kamen auch neue Leute in den Verein. Einer von ihnen ist Andreas Schwarzmann. Mit dem kulturverein bahnhof verbindet ihn eine lange Geschichte.

„Ich habe früher in Feldkirch gewohnt und mein Stammlokal dort war die ,Sonderbar‘. Ein Kellerlokal, in dem große Bands immer wieder kleine Konzerte gaben. Eines Tages kam es zu einem sogenannten ,Austauschtreffen der Kulturveranstalter‘ im Land, und wir von der Sonderbar sind nach Andelsbuch eingeladen worden. Wir haben vor dem kulturverein bahnhof gegrillt – ein super Fest. Als ich 17 Jahre später nach Andelsbuch gezogen bin, hatte ich die schöne Erinnerung an den kulturverein bahnhof mit im Gepäck. Der wurde zum Integrationskatalysator, war Anker und Hafen. Ich arbeite in Dornbirn, der Weg zur Bushaltestelle führt mich täglich am bahnhof vorbei. Also schaue ich auf einen Sprung rein, erledige die Post. Es ist für mich die erste Station des Tages.“ Auch wie es rund um den kulturverein bahnhof aussieht, ist mittlerweile einer Aktion von Schwarzmann zu verdanken. „Gemeinsam mit dem Obst- und Gartenbauverein haben wir rund um das Gebäude eine Blumenwiese gestaltet. Aus einem Schotterplatz neben den Gleisen wurde so eine bunte, wuselnde Welt.“ Nachhaltiges Zusammenleben auch mit der Umwelt ist mittlerweile Bestandteil des Programms im kulturverein bahnhof.

„Auf Vermittlung von Andreas hat sich die Gemeinde vor einiger Zeit mit einem Reparatur-Café-Nachmittag eingemietet“, erzählt Pöltl. „Eine spannende Sache. Sie hat viele Menschen aus dem Tal zum ersten Mal in den kulturverein bahnhof geführt. So haben wir entschieden, das in unser Programm aufzunehmen. Es ist ja auch Kultur, wenn das Dorf zusammenkommt und im bahnhof Altes für die Zukunft repariert.“ Der kulturverein bahnhof bietet Platz für etwa hundert sitzende Besucher* innen. Im ehemaligen Schalterbereich befindet sich eine kleine Bar. „Der wichtigste Ort nach einer Veranstaltung, da stapeln sich die Gäste gut und gern.“ Der einstige Warteraum dient als Bühnen- und Besucherraum. Hinten ist Platz für Stehtische und eine Couch, vorne ist bestuhlt, die Bühne nah und kaum erhöht. „Ein ganz besonderes Setting.

Die Künstlergarderobe befindet sich in einem alten Waggon vor der Tür, nichts ist hier weitläufig, so kommen sich alle wirklich nah. Eine freie Begegnungszone an einem Ort, der immer auch noch Erinnerungen ausstrahlt. Hier hielt das Wälderbähnle von 1902 bis 1980, das schwingt noch immer mit. Die einen sind selbst noch mit der Bahn gefahren, andere sind an Eisenbahnen generell interessiert. Auf alle anderen wirken die Räume mit ihrer Geschichte.“ Pöltl deutet auf Stellen in der Wand, die auch nach der Sanierung den Blick auf die ursprüngliche Tapete oder die darunterliegende Ziegelmauer freigeben. „Manche wollen es genauer wissen und stellen Fragen. Da kann ich zumindest mit ein paar Informationen aushelfen, etwa dass das Wälderbähnle auf der Spurweite von 760 Millimetern fuhr, der ,bosnischen Spurweite‘.“

Die meisten freilich kommen wegen des Programms. Das ist vor allem eines: vielfältig. „Was ich so großartig finde“, schwärmt Andreas Schwarzmann. „Es fließen so viele unterschiedliche Vorschläge in das Programm ein, dass der Einzelne nicht alles kennen kann. Etwa das Tanzwochenende. Ich bin selbst seit langem mit dem Irish Dance verbunden, aber andere Tänze waren für mich neu: Es gab Workshops, ein Tanzcafé und eine Disco. Jetzt fragen sehr viele nach einer baldigen Wiederholung.“ Pöltl ergänzt: „Wir können hier keine großen Konzerte veranstalten, aber wir können Künstler in einem intimen Rahmen präsentieren. Etwa Prinz Grizzley. Der füllt mit seiner Countrymusik und seiner Band Festivalarenen in weitem Umkreis. Sein erster Auftritt im kulturverein bahnhof war speziell: unter strengen Corona-Bedingungen. Publikum mit Maske, konzertant bestuhlt. Da wurde mit dem Klatschen gewartet, bis der letzte Ton ausgeklungen ist. Das war für alle sehr besonders.

Wir haben hier Formationen, die sich ausprobieren können und vielleicht von hier aus eine Karriere starten. Wir präsentieren Musik, Literatur, Kunst oder Kabarett aus Richtungen, die man noch kaum kennt. Vor knapp 15 Jahren wurde ich gebeten, an der Bar auszuhelfen. Ein Konzert mit einem unbekannten Musiker: Herbert Pixner. Auf der Bühne ein Akkordeon, eine Harfe und eine Bassgeige. Vermutlich nix für mich. Ich machte den Bardienst, und weil da bald nichts mehr los war, ging ich in den Veranstaltungsraum. Fünf Minuten später passierte es – eine persönliche Epiphanie: Ich saß da und weinte in Sturzbächen, so ergriffen von der Musik. Sie hat mich so weit getragen, dass ich heute noch Gänsehaut bekomme, wenn ich daran denke. Dafür kann man den kulturverein bahnhof auch besuchen: Damit er Dinge näherbringt und Welten öffnet.“

Autorin: Carina Jielg
Ausgabe: Reisemagazin Bregenzerwald – Sommer 2023

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