Wer die heute von der Milchwirtschaft geprägte Kulturlandschaft des Bregenzerwalds betrachtet, würde nicht vermuten, dass einst weit ausgedehnte Ackerflächen das Bild bestimmten. Unter den günstigen klimatischen Bedingungen des Mittelalters gediehen vor allem Hafer und Gerste. Vom 16. Jahrhundert an aber sanken die Temperaturen merklich. Die Sommer wurden zusehends feuchter, Witterungsextreme häufiger. Im Hochgebirge stießen die Gletscher vor. Es begann die bis ins 19. Jahrhundert andauernde „Kleine Eiszeit“. Auf Dauer ließ sich diese Veränderung der Lebenswelt weder als Strafe Gottes für sündhaften Lebenswandel noch als Folge des Wirkens von Hexen deuten, sondern verlangte nach rationalen Strategien. Eine davon war Auswanderung, sowohl saisonal wie auf Dauer. Wer blieb, musste danach trachten, die wirtschaftlichen Strukturen den Gegebenheiten anzupassen.
Im Bregenzerwälder Fall bedeutete das: Rücknahme des Getreidebaues zugunsten der Grünlandwirtschaft. Gras wächst bekanntlich in kühlen, niederschlagsreichen Gegenden besonders gut. Zunächst wurde die Aussaat von Korn in den höheren Lagen aufgegeben. Später machten die Bauern fast überall aus Äckern Wiesen und rodeten in allen Höhenlagen Wälder, um weiteres Heu- und vor allem Weideland für den wachsenden Viehbestand zu gewinnen. Das aber schuf neue Probleme. Die Grundherrschaften und die Bezieher der Zehnten wollten den Ausfall der herkömmlichen Naturalabgaben nicht hinnehmen. Traditionalisten stritten sich mit Befürwortern des Wandels, auch weil die Viehwirtschaft weniger Arbeitskräfte benötigte als der Ackerbau, und weil der Bregenzerwald immer stärker von Getreideimporten abhängig wurde. Die nun in wesentlich größerer Menge anfallende Milch verarbeitete man auf traditionelle Weise zu Butterschmalz und zu „sauer“ hergestelltem Magerkäse. Das Schmalz wurde überwiegend nach Tirol ausgeführt, der nur beschränkt haltbare Magerkäse deckte den Eigenbedarf.