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1.5. - 31.10.2024

Klimawandel ist Käse

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Klimawandel ist Käse

Die „Kleine Eiszeit“ zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert erzwang eine Änderung der Landwirtschaft im Bregenzerwald: vom Ackerbau zur Milchwirtschaft. Mitte des 17. Jahrhunderts brachten Appenzeller Sennen den Hartkäse in den Bregenzerwald.

Wer die heute von der Milchwirtschaft geprägte Kulturlandschaft des Bregenzerwalds betrachtet, würde nicht vermuten, dass einst weit ausgedehnte Ackerflächen das Bild bestimmten. Unter den günstigen klimatischen Bedingungen des Mittelalters gediehen vor allem Hafer und Gerste. Vom 16. Jahrhundert an aber sanken die Temperaturen merklich. Die Sommer wurden zusehends feuchter, Witterungsextreme häufiger. Im Hochgebirge stießen die Gletscher vor. Es begann die bis ins 19. Jahrhundert andauernde „Kleine Eiszeit“. Auf Dauer ließ sich diese Veränderung der Lebenswelt weder als Strafe Gottes für sündhaften Lebenswandel noch als Folge des Wirkens von Hexen deuten, sondern verlangte nach rationalen Strategien. Eine davon war Auswanderung, sowohl saisonal wie auf Dauer. Wer blieb, musste danach trachten, die wirtschaftlichen Strukturen den Gegebenheiten anzupassen.

Im Bregenzerwälder Fall bedeutete das: Rücknahme des Getreidebaues zugunsten der Grünlandwirtschaft. Gras wächst bekanntlich in kühlen, niederschlagsreichen Gegenden besonders gut. Zunächst wurde die Aussaat von Korn in den höheren Lagen aufgegeben. Später machten die Bauern fast überall aus Äckern Wiesen und rodeten in allen Höhenlagen Wälder, um weiteres Heu- und vor allem Weideland für den wachsenden Viehbestand zu gewinnen. Das aber schuf neue Probleme. Die Grundherrschaften und die Bezieher der Zehnten wollten den Ausfall der herkömmlichen Naturalabgaben nicht hinnehmen. Traditionalisten stritten sich mit Befürwortern des Wandels, auch weil die Viehwirtschaft weniger Arbeitskräfte benötigte als der Ackerbau, und weil der Bregenzerwald immer stärker von Getreideimporten abhängig wurde. Die nun in wesentlich größerer Menge anfallende Milch verarbeitete man auf traditionelle Weise zu Butterschmalz und zu „sauer“ hergestelltem Magerkäse. Das Schmalz wurde überwiegend nach Tirol ausgeführt, der nur beschränkt haltbare Magerkäse deckte den Eigenbedarf.

Zu dieser Zeit hatte sich in der Schweiz längst die Fettsennerei durchgesetzt. Sie basiert auf der Verwendung von Lab, das aus den Mägen junger Wiederkäuer gewonnen wird. Es bewirkt, dass die Milch eindickt, ohne sauer zu werden. Der auf diese Weise hergestellte Hartkäse erwies sich als wesentlich haltbarer, er konnte besser transportiert und daher auch exportiert werden. Dafür brauchte es aber Spezialisten. Bald nach der Mitte des 17. Jahrhunderts brachten Appenzeller Sennen die Neuerung in den Bregenzerwald. Manche von ihnen wurden als „Entwicklungshelfer“ in die Talschaft geholt, andere kamen aus eigenem Antrieb, um Alpen zu pachten oder Betriebe zu gründen. Auf solche Zuwanderer gehen unter anderem die Bregenzerwälder Geschlechter Büchele, Bischofberger, Broger, Innauer, Manser und Willi zurück. Der landesfürstlichen Regierung in Innsbruck war diese Innovation, die die Butterschmalzlieferungen nach Tirol gefährdete, ein Dorn im Auge. Verbieten ließ sich die Fettsennerei freilich nicht. Bald hatten sich Käseherstellung und -handel zu den bedeutendsten regionalen Erwerbszweigen entwickelt.

Zunächst stand nur der im Sommer auf den Alpen erzeugte Käse zur Verfügung. Von den 1830er-Jahren an ermöglichten Talsennereien auch die Vermarktung der Wintermilch. Neuerlich wurden zur Verbesserung der Qualität Sennen aus der Schweiz, nun überwiegend aus den Kantonen Bern und Luzern, in den Bregenzerwald geholt. Für die Ausfuhr sorgten nicht die Produzenten selbst, sondern Händler, die die erforderlichen Kontakte besaßen und den Transport organisieren konnten. Der Schwarzenberger Josef Anton Metzler lieferte schon um 1800 nach Wien, Prag und Budapest, Peter Ratz aus Bezau in die Niederlande. Von dort übernahm er die Technik der Herstellung von Limburger Käse. Später wurde die Lombardei ein wichtiges Absatzgebiet, 1840 gingen allein dorthin 670 Tonnen Fettkäse. International agierende Handelshäuser – das bekannteste war das der als „Käsgrafen“ titulierten Brüder Moosbrugger aus Schnepfau – sicherten zwar den Absatz, machten die Bauern aber abhängig und diktierten den Milchpreis. Um diese Monopolstellung zu brechen, entstand 1868 auf Initiative des Dichters, Sozialreformers und Kleinbauern Franz Michael Felder in Schoppernau ein „Käsehandlungsverein“. Damit war zwar der Genossenschaftsgedanke in die Talschaft gesetzt, tatsächlich Früchte trug er aber erst Jahrzehnte später.

Autor: Alois Niederstätter
Ausgabe: Reisemagazin Bregenzerwald – Sommer 2024

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