Für vier Schulfreundinnen, durch Leben und Zeit auf Distanz zueinander gebracht, wird eine gemeinsame Wanderung auf die Winterstaude zum Erlebnis, das die alte Vertrautheit aus Schultagen wiederbringt.
Vor uns liegen die letzten beiden Abstiege des sogenannten „Hasenstricks“, und damit der Höhepunkt der Wanderung. Links stürzt eine Felswand in die Tiefe, rechts fällt eine Wiese ab, ebenso steil wie die Felsen. Jetzt ist höchste Konzentration gefordert. Ich bleibe stehen, um den Blick zum heutigen Tagesziel, dem Gipfel der Winterstaude, zu heben. So mystisch habe ich diesen Berg, der mir doch seit meiner Kindheit vertraut ist, noch nie erlebt. Dort, wo man sonst von Schetteregg aus über das hügelige Alpenvorland bis nach Deutschland sieht, hängt jetzt eine dicke Nebelwand. Der Nebel steigt aus dem Kessel zu unserer Linken auf, ein leichter Wind von rechts treibt ihn wieder in den Kessel zurück. Es sieht aus wie eine Welle, die unentwegt bricht, aber sich nicht vorwärts bewegt. Hinter mir höre ich meine Freundin nen zu mir aufschließen. Wir sind vier junge, wandererfahrene Frauen und trittsicher. Trotzdem machen der leichte Nebel und die steilen Abhänge des Grates die nächsten hundert Meter zum Nervenkitzel. „Positiv blieba, Moatla, es isch allat no ganga“, ermuntert Cathrin die Gruppe. Schon auf die morgendliche Anreise aus dem Rheintal haben wir uns gefreut. Wir vier, Natalie, Cathrin, Elisabeth und ich, kennen uns seit der Schulzeit. Doch in den letzten Jahren haben sich Treffen auf die Weihnachtszeit beschränkt. Vom Leben in alle Himmelsrichtungen davongetragen, haben wir uns jetzt viel zu erzählen. In Bezau angekommen, fahren wir mit der Bergbahn zur Bergstation Baumgarten. Von dort wandern wir Richtung Winterstaude. Ohne Eile, schließlich haben wir uns den ganzen Tag für einander und den Berg Zeit genommen.