Es war „Schlossars Rudl“, der uns Rotznasen zeigte, wie man „giftige“ Bolzen schnitzt und mittels saftiger Weidenruten und Schnur in die Luft peitscht. Mit einer flüssig-eleganten Bewegung ließ er das Flugobjekt starten. Barfuß und in kurzen Hosen hockten wir im Gras und brachten den Mund nicht mehr zu. Da war es das erste Mal: dieses betörende Zischen, wenn sich ein Körper mit atemberaubender Beschleunigung in die Luft bohrt. In hohem Bogen verwandelte sich der Pfeil zum winzigen Punkt hoch am Himmel. Wir stürmten los und konnten nicht fassen, wie weit die Stelle, an dem der Bolzen sich tief in die Erde gebohrt hatte, vom Start entfernt lag. Beim Rücktransport mussten wir die Tatsache verdauen, dass „dor Schlossar“ kein junger, muskulöser Sportler, sondern behäbig und in unseren Augen alt war. Mittlerweile in Rudls Alter, stehen Walter Steiner und ich in hohen Stiefeln mit Rute und Schnur nebeneinander. Die Subersach umspült und kühlt unsere Beine, unser Blick ist auf die Strömungskante gerichtet. Mit superleichten Ruten und getrimmten Wurfschnüren peitschen wir die verführerisch gebundene Kunstfliege über unseren Köpfen vor und zurück. In das Gurgeln der Ach mischt sich ein betörendes Geräusch. Die Aktion der Rute beschleunigt die Schnur und die Luft zischt rhythmisch. Nur jenes „Blopp“, wenn eine Forelle die Wasseroberfläche durchbricht und die Fliege nimmt, klingt noch schöner.
Autor: Toni Innauer
Ausgabe: Reisemagazin Sommer 2015