Er sieht einer Landschaft an, ob Kies vorkommt, egal, ob in Bali oder auf den Kapverden, wo es eben keinen Kies gibt und sich die Leute selbst den Sandstrand abgraben, um auf er anderen Seite der Insel Hotels bauen zu können. In Dubai ist das Problem ähnlich – Kies und Sand kommen mit Schiffen aus Pakistan und Australien. Werner experimentiert gern mit Beton. Sein begehbares Beton-Ei, in Andelsbuch an der Straße, ist über die Grenzen bekannt und als Beton-Berater hat er sich einen Namen gemacht – in Hannover soll ein ähnlicher Platz entstehen wie der Landhausplatz in Innsbruck, den seine Firma gebaut hat, und der Staat Bayern baut ein neues Hitler-Dokumentationszentrum am Obersalzberg: Aus dem Ausbruchmaterial des Stollens und des Luftschutzbunkers soll aus grünlichem Kalk Beton hergestellt werden. Bei einer Kunstaktion am Silvretta Stausee lernt er die Künstlerin Ona B. kennen. Mit seiner Andelsbuch- Gang – Männer in knallroten Klamotten – reist er nach New York oder nach Shanghai, wo Ona im Shanghai Art Museum ein ganzes Stockwerk zur Verfügung gestellt bekommt. Die Performance heißt „Beanda und Lösa“ (Binden und Lösen). Werner dreht Kurzfilme, zunächst in Super 8, später auf Video, dann digital. Sein Copyright heißt BEO, ein Überbleibsel von Beowulf.
Kurz nach seinem fünfzigsten Geburtstag wiederholt sich die Geschichte. Ein Herzinfarkt lässt ihn innehalten. Er erholt sich zwar, gibt aber im Frühjahr 2016 die Geschäftsführung seiner Firma ab, zieht sich aus dem Tagesgeschäft zurück und gründet stattdessen ein Einmannunternehmen namens BEO Projekt GMBH: Handel mit Waren aller Art, Filmproduktion, Kunsthandel und Bauträgergesellschaft. Er hofft, sich nun öfters seinen Leidenschaften widmen zu können. Dazu gehört die Geschichtsforschung und der Kampf für einen unverfälschten Blick auf die eigene Vergangenheit. Ein Symbol für falsche Geschichtsverherrlichung ist für ihn das Denkmal an der Bezegg-Sul. Er setzt sich kritisch damit auseinander, denn das Bild, das viele Bregenzerwälder heute von sich haben, wurde in den 1930er Jahren von Historikern geprägt, in einer Zeit, als der Nationalismus und die Verehrung der „guten alten Zeit“ immer größer wurden, was schlussendlich im Zweiten Weltkrieg endete. Werner Schedler empfiehlt jedem, das Buch „Der Hintere Bregenzerwald – eine Bauernrepublik?“ von Mathias Moosbrugger zu lesen und dabei selbst zu erkennen, wie verbogen viele Geschichten sind, die einen Teil unserer Identität ausmachen. „Mear Wäldor“, zwei Wörter, die den Stolz nach außen tragen, stehen auf Handtaschen, Plakaten und T-Shirts. Für Werner fühlt sich das an, wie wenn Pegida-Anhänger „Wir sind das Volk“ brüllen. „Im Bregenzerwald gibt es immer wieder reaktionäre Strömungen – Ende 19. Jahrhunderts mit den Brixnern, in den 1930 er Jahren und jetzt wieder. Wir dürfen nicht glauben, dass wir davor gefeit oder etwa demokratischer sind als andere“, sagt Werner, dem Selbstbeweihräucherung ein Dorn im Auge ist. „Bregenzerwälder, die mit Fellhölzlern auf der Alm herumspringen, mit Gülle herumspritzen, Gloria rufen und meinen, sie seien Urwälder, obwohl sie alles kaputtmachen, kann ich nicht leiden.
Stolze selbstständige Männer und Frauen aus dem Tal schätze ich jedoch sehr.“ Werner Schedler ist ein Kind des Bregenzerwaldes. Manchmal muss er Kulturgüter hinaus in die Welt tragen, wie im Jahr 2015, als er mit Ona B. nach New York flog, um im Central Park rot angemalte Heureiter („Hoanzen“) aufzustellen. Heu (vulgo Geld) haben sie dort ja genug.
Autorin: Irmgard Kramer
Ausgabe: Reisemagazin Sommer 2017