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Wenn der Vater mit dem Sohne …

Wenn der Vater mit dem Sohne …

… gemeinsam am Lift fährt, heißt das im Bregenzerwald noch lange nicht, dass sie einander auch erkennen, musste unser Autor gesprächsweise erfahren.

Ich sitze im Waldviertel, im äußersten Nordosten Österreichs, und denke an den Bregenzerwald. Von Wald zu Wald, sozusagen. Sie haben keine Ahnung, wie oft und wie unvermutet einem der Westwald im Osten entgegenkommt. Kürzlich war ich im Parlament bei einer kulturpolitischen Debatte, deren Inhalt mitzuteilen ich uns gern erspare. Aber beim Plaudern in der Säulenhalle traf ich einen seit langem in Wien erfolgreichen gebürtigen Bregenzer. Sogleich teilte er mir ungefragt mit, er komme eben aus Damüls vom Skifahren, herrlich sei es gewesen, und ja, ausreichend Schnee sei gelegen, Anfang April. Das wundert mich nicht, sagte ich. Damüls ist doch das Schneeloch schlechthin. In Damüls kenne ich mich aus. Ja, sagte der Mann, er ist weit über 70, und die schwarze Piste sei er auch hinuntergefahren. Ich meinerseits bin gern in Damüls, an dieser Stelle fiel mir aber ein, dass ich ziemlich verblüfft war, als ich selber das letzte Mal vor wenigen Jahren diese Sunnegg genannte schwarze Piste hinunterfuhr. Denn statt der gewohnten Buckel, die mich in jungen Jahren mit etwas längeren Ski und etwas anderer Technik, aber einem etwas fitteren Körper tatsächlich herausforderten, fiel nun eine glatte Piste vor mir ab. Ein Steilhang von 74 Prozent Gefälle, wie ich aus dem Reisemagazin Bregenzerwald lernte, also nur elf Prozent weniger als die Mausefalle auf der Kitzbüheler Streif. Die hat 85 Prozent.

Jedenfalls ist der Sunnegg-Hang steil genug, aber jetzt ist er Ratrak-flach, also glatt, aber selbstverständlich griffig. Keine Eisplatten, sondern ein feiner, griffiger Schnee, in den sich die Carverkanten krallen, und die sich selbst und ihre Fähigkeiten gern überschätzenden Carver nutzen die ganze Breite des Hanges aus. Mein Freund aus dem Parlament erinnerte mich an eine andere Sunnegg-Geschichte, die im tiefsten Winter spielt. Ein bereits auf die 80 Jahre zugehender älterer Herr (Diese Wälder! Fahren mit 80 noch die schwarzen Pisten hinunter!) und ein gut 30 Jahre jüngerer Mann trafen sich oben an der Bergstation des Sunnegg-Lifts, wenn sie nicht sogar wortkarg nebeneinander im Sessellift nach oben gefahren waren, und der Jüngere sah neugierig dem Älteren nach, wie der wohl da hinunterkäme. Der Alte schlug sich wacker, der Jüngere fuhr ihm nach, lobte ihn und schlug vor, sie sollten gemeinsam auf ein Bier gehen. An der Bar stellte sich heraus, dass es sich um Vater und Sohn handelte, die einander auf der Piste nicht erkannt hatten. Entweder es war kalt und sie waren mit Helm und Brille vermummt, oder die Familie lebte in recht losen Beziehungen, oder die Geschichte ist gut erfunden.

Merkwürdig genug ist es jedenfalls, im Waldviertler Hügelland zu sitzen und an schwarze Pisten zu denken. Aber es gibt Steigerungen. Gerade öffne ich mein E-Mail und erhalte einen Brief meiner Mitmaturanten (es waren nur Männer, also brauchen wir hier nichts zu gendern), die ein rundes, ob seiner Höhe aber doch etwas peinliches Jubiläum anpeilen: ihr 50-jähriges Maturajubiläum. Natürlich soll es nicht nur in Bregenz gefeiert werden, sondern in einem angemessenen Wirtshaus im Bregenzerwald, wohin uns ja viele unsere Schulausflüge geführt haben, mit dem Wäldebähnle selig. Zuvor aber gibt es bei solchen Anlässen ein Kulturprogramm. Diesfalls besteht es aus einer Besichtigung der Krumbacher Bushaltestellen, an denen längst viel mehr Pkws mit Touristen aus aller Welt haltmachen als Ländlebusse, deren Haltestellen ja nur den Anlass für dieses Projekt boten. Dieses originelle Kunst- und Landschaftsprojekt stellt das Musterbeispiel einer gelungenen sozialen Skulptur dar. Die Ingredienzien waren eine originelle Idee, ein kluger Kurator, eine ästhetisch hochliegende Latte sowie ein Bürgermeister und eine Gemeinde, die offen für etwas Neues waren und das Potenzial dieser Kombination erkannten. Das Waldviertel bräuchte etwas von diesem Spirit. Die Menschen hier sind verhärtet und Argumenten der Ästhetik wenig zugänglich. Man ist froh, wenn es hier überhaupt eine Bushaltestelle gibt, die aus mehr besteht als aus einer nackten Tafel, an der zweimal am Tag ein Bus hält. Es ist schwer, die deprimierenden
Folgen der Landflucht zu schildern. Ihre Depression kontrastiert mit der atemberaubenden weiten, oft menschenleeren Landschaft unter einem endlosen Himmel, die auf ihre Art das genaue Gegenstück zur Voralpen- und Alpenlandschaft des Bregenzerwaldes darstellt. Die zahlreichen dieser kargen Schönheit wegen hier wohnenden Künstler und Käuze leben meist in einer Parallelwelt zur Bevölkerung, deren Mentalität durch Jahrhunderte der Leibeigenschaft abgestumpft ist. Ihr Blick richtet sich nur auf die nahe Hauptstadt, auf die Frühpension oder auf den nächsten Potentaten, sei er ein echter Graf, ein politischer Fürst oder ein Bauernkammerbaron. Ich höre, dass aufgeschlossene Geister tatsächlich Informationsreisen in den Bregenzerwald unternehmen? Wie könnte man, frage ich mich, das Waldviertel verbregenzerwäldern? Wenigstens ein kleines bisschen? Daran, dass sie hier keine schwarzen Pisten haben, wird’s nicht liegen. Jedenfalls sollte man ihnen von den Krumbacher Haltestellen erzählen.

Autor: Armin Thurnher
Ausgabe: Reisemagazin Winter 2017/18

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