Schneeschuhwandern in Schoppernau
Der Greifvogel über mir stößt einen spitzen, gellenden Schrei aus. Eben noch konnte man die Kanisfluh sehen, drüben auf der anderen Seite. Müde wirkt er, der alte Berg im weich gezeichneten Winterweiß. Leichte Nebel ziehen im Sonnenlicht an seinen Höhen wie in Zeitlupe auf. Eben noch glaubte ich Meisen zu hören, bis ich feststellen musste, dass es die Schneeschuhe der vor mir Gehenden sind. Sie quietschen nicht nur in einer meisenhaft hohen Frequenz, sie schmatzen auch noch rhythmisch dabei. „Schlurft einfach mit den Schuhen, als würdet ihr Pantoffeln tragen“, hatte uns Sylvie, die Schneeschuh-Wanderführerin, mit auf den Weg gegeben. Die erste Etappe führt steil bergauf durch den Winterwald. Wir Schneeschuh-Jüngerinnen schweigen geflissentlich, genießen den Blick auf die moosig-rissigen Baumrinden am Weg. Schneeschuhwandern boomt und das aus gutem Grund: Man entkommt dem alpinen Mainstream auf perfekte Weise. Früher trugen die Bauern Schneeschuhe, um im Winter das Heu zu holen. Und natürlich die Jäger, um nach dem Wild zu schauen, wenn alles verschneit war. Heute sind sie, die aussehen wie Tennisschläger unter den Füßen, wieder „in“. Mittlerweile gelten flexible Schneeschuhe, die sich durch Schienen verlängern lassen, als Erfolgsmodell. Eine Steighilfe, ein Bügel also, der sich zusätzlich ausklappen lässt, ist beim Aufwärtsgehen hilfreich, ein Dorn daran gibt zusätzlichen Halt im Schnee. Wer vorne geht, „spurt“ für die anderen.
Die gemeinsamen Fußstapfen werden zum Gruppenerlebnis. Wie eine kleine Herde ziehen wir eine nach der anderen oberhalb von Schnepfau durch die Wälder. Und stoßen auf andere, die hier unterwegs sind: Ein wenig verblüfft lugt eine Herde Rehe aus dem Unterholz hervor. Ich schaue verblüfft zurück. Die Kiefern am Wegrand schütteln, vom Wind gebeutelt, schweren Schnee von ihren Zweigen – so, als könnten sie es auch nicht glauben. Das Klatschen der Schneefladen hallt ins rhythmische „Schlurp-Schlurp“ unserer Schneeschuhe. Zeit für eine Teepause. Sylvie hat immer genug heißen Tee und Schokolade dabei. Seit zehn Jahren bietet sie diese Touren professionell an und kann noch immer nicht genug davon bekommen. Mit ihrer Freundin Bärbel macht sie „ganz nebenbei“ im Laufe der Woche auch noch Touren von bis zu fünf Stunden Länge. Sylvie mit dem Hightech-Schneeschuh und Bärbel mit einem ganz „grauslich billigen Schuh“.
Bärbel schaffte ihre „grauslichen“ Schneeschuhe einst aus Faulheit an: Ihr Hund tollte beim Gassigehen gerne im Schnee und sie war es leid, immer bis zu den Knien zu versinken. Die Schneeschuhe machten es leichter – und dann bekam sie Lust auf die neue Gangart. Am Abend, wenn dann Bärbel und Sylvie vom Schneeschuhwandern heimkommen, treffen sie manchmal auf Cornelia. Die prescht ziemlich sportlich mit einer Stirnleuchte los. Cornelia ist „Wechslerin“ aus Überzeugung – früher war sie Nationalmeisterin im Abfahrtslauf. Heute findet sie die Schneeschuhwanderungen sportlicher, sie will wandern, nicht wedeln, und macht sich für eigene Schneeschuh-Wanderwege im Bregenzerwald stark. Ihre Wangen glühen vor Glück, wenn sie vom Schneeschuhwandern, dem Einssein mit der eigenen Seele, erzählt. Die drei Kennerinnen haben ein paar Tipps für alle, die auch „wandern statt wedeln“ wollen: Für eine Schneeschuhtour eignen sich am besten Skisocken, feste Winterwanderschuhe und Gamaschen. Tee, Müsliriegel oder Schokolade sollte man auch dabei haben. Sie bringen Energie zurück, denn die verbraucht man reichlich. Und: Am Anfang der Tour sollte man nicht zu schnell gehen.