Kaum betrete ich den zwischen Andelsbuch und Bersbuch gelegenen Gasthof Adler, rieche ich sofort, dass gekocht wird – und zwar sehr fein gekocht! In der Gaststube treffe ich Laura. Einfach und unkompliziert, liebenswürdig und direkt. Nicht nur der gute Geruch lädt ein, man hat hier auch das Gefühl, willkommen zu sein. Laura führt mich in die Küche. Deren Mittelpunkt bildet ein alter Holzofen – das zeigt schon, dass der „Adler“ keine gewöhnliche Gaststätte ist. Er ist Treffpunkt für die Einheimischen der Parzelle Bühel, versammelt Bekannte von Laura und ihrer Schwester Marianne und dient für Familienfeste – ein Geheimtipp eben. Laura bereitet Schweinsbraten mit „Hafoloab“ zu. Das ist neben Käsknöpfle, Bratwürsten mit selbst eingehobeltem Kraut, Gerstensuppe und Schnitzel ein von den Gästen oft gewünschtes Gericht. Die zwei Frauen kochen heute nur mehr auf Anfrage zu ganz speziellen Anlässen. Laura reibt den Schweinsbraten aus der heimischen Metzge mit Salz, Pfeffer und einer Knoblauchzehe ein: „Der Knoblauch gibt dem Schweinsbraten einen besonders guten Geschmack.“ Sie brät ihn auf einer Seite an, gibt Wurzelgemüse und eine Zwiebel dazu und brät noch einen Moment sorgfältig weiter.
Draußen, vor dem Fenster, sitzt Annegret, die Katze, und schaut herein. Marianne öffnet das Fenster und begrüßt das stolze Tier liebevoll. Laura gießt den Braten mit Wasser auf und schiebt ihn in den Holzofen. Aufgewachsen sind die beiden Frauen in Deutschland. „Unsere Mama hat auf den Hof unseres Vaters in Oberreute geheiratet“, erzählt Laura. Als ihr Großvater mütterlicherseits 1950 starb, kehrte die Familie mit vier Kindern in den Bregenzerwald und in den „Adler“ zurück. „Das Haus war immer eine Bauernwirtschaft. Wir hatten aber früher auch Fremdenzimmer, da wurde für die Pensionsgäste regelmäßig gekocht. Die Einheimischen kommen bis heute eher zu Spiel und Spaß.“ Für den Hafoloab vermischt Laura Maismehl – „Türkomehl“, wie sie es nennt –, Weizengrieß, eine in Würfel geschnittene Semmel („wenn ich keine Farbe im Loab will, entrinde ich das Brot vorher“), Weizenmehl und Salz.
Marianne erzählt dieweil aus ihrer Kindheit. „Unsere Ausbildung ist eigentlich nur die Volksschule gewesen. Danach haben wir zu Hause gearbeitet. Unser Vater hat die Monate von Mai bis Dezember immer in Oberreute verbracht.“ Auch ihr Bruder und zwei der drei Mädchen haben den Sommer über auf dem Hof in Deutschland gearbeitet. Ein Mädchen ist immer in Andelsbuch geblieben, um der Mutter im „Adler“ zu helfen. „Damals hat es noch keine Waschmaschine gegeben. Um fünf Uhr morgens hieß es aufstehen, um Wäsche zu waschen.“ Laura kocht eine sehr starke Fleischbrühe und gießt diese über die restlichen Zutaten. Sie wartet einen Moment, bis die Zutaten aufquellen und eine feste Masse entsteht. Dann formt sie laibförmige Knödel und lässt sie etwa eine Stunde im siedenden Wasser ziehen. „Wir mögen den Hafoloab sehr gerne“, sagt Marianne. „Sehr gut schmeckt er auch angebraten, wenn etwas übrig bleibt.“ Laura holt den Braten aus dem Ofen und ein herrlicher Duft verbreitet sich in der ganzen Küche. Zu guter Letzt bindet sie den Bratensaft mit einem „Tögle“, das ist Mehl mit etwas Wasser angerührt. Nun sitzen wir in der Gaststube. Auffallend, dass fast immer eine ihrer Handarbeiten auf dem Tisch liegt. „Mit 18 habe ich das Knüpfen für die Juppe gelernt“, erzählt Laura. Bis heute stickt und knüpft sie an Juppen, den bodenlangen Kleidern, und Bleaz, den Brusttüchern zur Juppe. Ihr Fachwissen über die traditionelle Bregenzerwälder Tracht ist verblüffend. Geheimnisse der regionalen Küche und Wissenswertes über die kostbare Tracht – Langeweile ist am Stubentisch bei Marianne und Laura im „Adler“ ein Fremdwort. Wie für jeden, der dem „Adler“ und seinen Damen einen Besuch abstattet.
Autorin: Milena Broger
Ausgabe: Reisemagazin Winter 2010/11