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Beim Wasser der Ewigkeit

Beim Wasser der Ewigkeit

Die Fassade des Kolosseums in Rom besteht aus Tuffstein, einem gewachsenen Fels.

Haben Sie schon einmal die Ewigkeit am Werk gesehen? Nein, ich meine nicht die Zeit. Sie zeigt sich jeden Morgen beim Blick in den Spiegel. Ich spreche von der Ewigkeit, jenem unbegreiflichen Phänomen, das aus lebendigen Wesen Steine macht. Zurechtgeschnitten und als Travertin oder auch Tuffstein bezeichnet, bilden solche Steine die Fassade des Kolosseums und mancher Palazzi in der ewigen Stadt. Wer die Ewigkeit in Stein sehen will, fährt in die Stadt auf den sieben Hügeln. Wer die Ewigkeit bei ihrem Werk beobachten möchte, kommt zu einem Abhang unter der Parzelle Landmühle in Lingenau. Das Gelände fällt steil zur Subersach ab. Man hört das Rauschen von Wasser, sieht zunächst jedoch nur eine grüne Wiese. Dann kommt ein Abgrund. Hier gähnt er nicht, sondern pritschelt, tropft und raunt von einer anderen Welt. Elfenbeingelb sind sie, rund und wässrig. Anders gesagt: die bemerkenswertesten Kalksinterbildungen Europas nördlich der Alpen. Und so entstehen sie: Quellwasser fließt durch die späteiszeitliche Lingenauer Schotterterrasse. Dabei nimmt es Kalk auf und gibt dort, wo es an die Oberfläche tritt und mit der Luft in Kontakt kommt, Kalksinter ab. Verstärkt durch die Wirkung von seltenen Moosen, Algen und Bakterien, bildet sich Quelltuff.

Das ist ebenso faszinierend wie bedrückend anzusehen. Oder wie würden Sie sich fühlen, wenn vor Ihren Augen lebendige Wesen, Grashalme, Blätter, Moospolster und Wurzeln langsam erstarren? Es ist, als zeigte uns die Natur hier ihre Knochen. Und gewissermaßen ist es so: Das Gestein des Quelltuffs bildet eine Grundlage, auf der sich Humus sammelt, für neues Wachstum. Über Waldpfade und Holztreppen (robustes Schuhwerk ist dringend erforderlich!) gelangt man mitten in einen Tempel voll gigantischer Gesteinsformationen. Im klaren Wasser und im Schein der Sonne glänzen die Tuffhänge wie riesige Marmorskulpturen. An ihnen bilden sich unaufhörlich neue Tropfsteine in allen Formen und Facetten. Das Rauschen, Plätschern und Tröpfeln des Wassers, das über Gesteinsbaldachine und Rinnen in die Tiefe stürzt, erzeugt eine geheimnisvolle Klangwolke.

Begriffe von diesem Naturschauspiel vermittelt die Lingenauerin Gabi Österle bei ihren Führungen. Mit großer Hingabe weckt sie in den Besuchern die Sensibilität für das Wunder vom wachsenden Stein. Sie nennt den Quelltuffhang „die Goldküste von Lingenau“, erzählt aus deren Geschichte und erklärt Wissenswertes über das Gelände mit seiner Gesteins-, Wasser-, Pflanzen- und Tierwelt. Silberweiden verstärken mit ihren im Sonnenlicht blinkenden Blättern die beinahe mystisch anmutende Stimmung. Abgefallene Blätter und Zweige sind durch die dauernde Berieselung mit dem kalkhaltigen Wasser von einer feinen Schicht überzogen – ein erstes, zartes Gewebe der Ewigkeit. „Schon in einem Jahr kann hier auch eine tote Maus oder ein Tannenzapfen so aussehen“, sagt Gabi Österle. Die Schicht fühlt sich an wie eine Zuckerkruste.

Unter einem Ahornblatt versteckt sich ein Flohkrebs, nicht mehr als einen Millimeter lang. Klein, aber selten, eine kleine Sensation. Tuffstein haben Einheimische bis in die 1950er-Jahre als Baustoff für Häuser und Ställe verwendet. Auch eine Kapelle in Lingenau ist aus Tuffstein erbaut. Doch weder das Kolosseum in Rom noch die Kapelle hier versprühen jenen lebendigen Zauber wie der in die Ewigkeit wachsende Fels am Abhang der Subersach.

Autorin: Birgit Rietzler
Ausgabe: Reisemagazin Sommer 2010

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