Kommt es so weit? Sind wir die letzte Generation, die vom Zauber eines Heustadels weiß? Dem Sprung aus nicht auszumessender Höhe in federndes Heu? Den im staubigen Dämmern sichtbar werdenden Sonnenstrahlen? Dem Verstecken und Verkuscheln im weichen Heu? Von den zeitalterumfassenden Spinnweben oder von der Entdeckung eines frischen Katzengeleges? Der Heustadel. Was für ein Raum! Selbstverständlich gehört er zu einem Bauernhof. Doch was heißt „selbstverständlich“? Es ist einige Jahrhunderte her, dass in dieser Gegend der Bauernhof aus einzelnen Bauten unter ein Dach gekommen ist – Wohnhaus, Stall und Heustadel waren zuvor getrennt. An die Trennung erinnert der aufregend hohe Raum zwischen Bergeraum und Wohnhaus, die lange noch „Hof“ genannte Tenne. Unsere Selbstverständlichkeiten haben sich also entwickelt. Derzeit sind sie einem drastischen Wandel unterworfen. Der Bauer wird seltener, und damit auch das bewirtschaftete Bauernhaus. Der Stadel aber, das Hinterhaus, bleibt. Vorerst.
Die massive Fachwerkkonstruktion mit Bretterverschalung hält das Futter trocken. In sie ist der Stall eingestellt: entweder als Bohlenständerkonstruktion oder gemauert. Der Mist des Viehs hat diese Bauteile oft stark in Mitleidenschaft gezogen. Doch das Gesamte ist brauchbar. Wozu freilich? Die alte Nutzung ist dahin, Gleichartiges ist nicht in Sicht. Die schnelle Antwort lautet: wegschieben. Doch schnell ist meist vorschnell. Denn ein Abbruch des Stadels ist meist nicht umsonst. Das Baurecht ermöglicht selten etwas Neues in der ursprünglichen Größe. Ein Ersatzbau ist meist kleiner. Durch einen Abbruch geht also de facto Baurecht verloren. Warum also nicht „provisorisch bleiben“ und langsam den ehemaligen Stadel mit neuer Nutzung füllen? Doch welche Nutzung? Das Leitbild des freistehenden Einfamilienhauses tut sich schwer mit solch großem Volumen. Sagt man. Wann aber passt schon ein Haus wirklich auf die Bedürfnisse seiner Bewohner? In der Regel wird von einer jungen Familie gebaut. Dann wächst sie, die Kinderzimmer reichen nicht mehr, die Eltern müssen arbeiten. Unterstützung durch Großeltern wäre hilfreich. Dann kommt der Schulabschluss und mit ihm der Auszug der Kinder. Plötzlich ist das Haus zu groß.