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Ein Schmied zieht Spuren

Ein Schmied zieht Spuren

Josef Eberle, Schmied und Schlosser in Hittisau, betreibt erfolgreich, was viele Großkonzerne vergeblich versuchen: Wissensmanagement im eigenen Betrieb.

Seit 1985 betreibt der gelernte Schmied und Schlosser Josef Eberle seine Werkstatt für Metallverarbeitung in Hittisau, derzeit mit einer zehnköpfigen Mannschaft. Ein eingeschworenes Team mit einer Arbeitsmoral in Werkstatt, auf Baustellen oder unter freiem Himmel auf der Alpe, die Betriebspsychologen die Augen übergehen lassen würde.

Tatsächlich spielt die Alpwirtschaft heute eine große Rolle – die Einrichtung von Sennereien ist neben der Herstellung von Metallmöbeln Eberles Hauptgeschäft. Es gehorcht höchsten Ansprüchen, wie sie auch in der Pharmaindustrie gefordert werden. Das heißt: höchster technologischer Standard – von der CNCFertigung bis zum Orbitalschweißen und der Verarbeitung von Schwarzstahl, verschiedenen Edelstahlsorten, von Kupfer, Bronze und Messing. Am Bau genauso wie im Anlagenbau und zunehmend auch in der Maschinentechnik. Dazu kommen Eberles eigene Erfindungen, etwa ein automatisierter Käseschneidetisch. Außerdem zeichnen sich seine Werke in ihrer Gestaltung aus – mehrere Preise bei „Handwerk und Form“ belegen es. „Wer will, kann“, lässt Josef Eberle im Gespräch fallen. Das heißt: Zuerst geht es um die Person, dann ums Wollen und daraus erwächst schließlich das Können. Ist dies das Geheimnis dieser Werkstatt? Ein Samstagmorgen im März. Seit 7:30 Uhr schaffen hier ein Dutzend Burschen zwischen zwölf und 14 Jahren unter der fachlichen Aufsicht von Josef Eberle und vier seiner Gesellen an Schlagschere, Kantbank, Bohrmaschine und Schweißgerät. Der Vormittag ist Abschluss und Höhepunkt des Lehrangebots „Vorderhand“ örtlicher Handwerker und der Hauptschule Hittisau.

In einem Workshop entwickeln die Schüler mit Handwerkern und Architekten individuelle Projekte und setzen sie zum Abschluss 1:1 in der Werkstatt um. Gegen Mittag geht jeder mit seinem Werkstück nach Hause. Alle zusammen werden auch in einer Ausstellung im Ort gezeigt. Das Ganze ist freiwillig, trotzdem nehmen rund neunzig Prozent der Jugendlichen eines Jahrgangs in Hittisau teil. Vor zehn Jahren gründete Josef Eberle mit anderen „Vorderhand“, heuer findet die Veranstaltung zum fünften Mal statt. Zwei seiner Mitarbeiter kommen aus diesem Kreis. Der Nachwuchs ist Eberle ein zentrales Anliegen. Acht seiner zehn Mitarbeiter wurden in seinem Betrieb ausgebildet. Das formt ein Team. Und hat Auswirkungen auf die Nachfolge, bekanntermaßen ein besonders heikles Problem für Familienbetriebe. Eberles Sohn Lukas erfuhr seine Ausbildung zum Mechaniker für Sondermaschinenbau abseits der elterlichen Werkstatt. So blieb er zwar dem Gewerk nahe, setzte jedoch eigene Schwerpunkte. Schließlich kehrte er in die väterliche Werkstatt zurück mit der Aufgabe, ein besonderes Augenmerk auf den immer wichtiger werdenden Maschinenbau zu richten. Derzeit baut er sich im Obergeschoß des Elternhauses nach Entwürfen des Architekten Georg Bechter eine eigene Wohnung aus – formal und technisch auf höchstem Niveau. Darin ist der rechte Winkel nur noch einer unter anderen. Eisen und die Lukas eigene Präzision bei der Verarbeitung spielen eine große Rolle. Die Wohnung zeigt die Nähe zu moderner Formgebung, die Vater Josef aus Neugier und Lust am Experiment seit langem umtreibt. Das gilt auch für den Betrieb – technologische Innovationen begründen seinen Erfolg. Wenn Neues auf dem Programm steht, geht das ganze Team mit – und lernt gemeinsam. Derzeit bleibt die Werkstatt einmal pro Woche geschlossen, weil alle einen 3D-CADKurs belegt haben. „Wer ein Team will, muss teilhaben lassen, auch in geistigen Dingen. Er muss sich Transparenz leisten“, sagt der Meister. Geistige Teilhabe und Weitergabe von handwerklichem Wissen: Darin ist Josef Eberle Pionier – und wieder auf ganz eigene Weise. Moderne Datenverarbeitung erlaubt die Archivierung großer Informationsmengen. Jede Werkstatt, die sich des CAD bedient, speichert diese Informationen. Auch Eberle. Doch darüber hinaus hat er etwas begonnen, was seinesgleichen sucht: Ein Archiv handwerklichen Wissens, eine Enzyklopädie der eigenen Werkstatt. Seit über einem Jahrzehnt werden Skizzen, Materialangaben und Bezugsquellen, Notizen zu Arbeitsschritten und Fertigungserfahrung gescannt und gemäß einem selbst entwickelten Katalog abgelegt. So bleibt das Wissen seiner Werkstatt stets abrufbar.

„Mit meiner Zettelwirtschaft bin ich ja bestens zurecht gekommen“, erklärt Eberle. „Aber halt nur ich. Jetzt haben auch meine Meister Zugriff auf das Archiv und können damit arbeiten – ein enormer Gewinn.“ Auch für ihn. Immerhin kann der begeisterte Bergsteiger sich nun auch längere Zeit von der Werkstatt fortwagen. Wie im vergangenen Jahr, als er sich den Traum von einer sechswöchigen Tour im Himalaya erfüllte. Die Werkstatt lief problemlos weiter – von der Angebotserstellung bis zur Projektabwicklung. Geteiltes Wissen dient eben allen. Ob daher seine Zuversicht, seine jugendlich anmutende Leichtigkeit kommt? Er weiß, was er kann und er kann sich auf sein Team verlassen. Er zeigt ein Bild von seiner letzten großen Tour durch unberührten Schnee. „Das ist doch wunderschön: die eigene Spur ziehen.“

Autor: Florian Aicher
Ausgabe: Reisemagazin Winter 2013-14

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