An einem warmen Spätsommermorgen im September betrat ich die Küche. Sanae-san saß schon wach am Tisch und hatte sich Kaffee gemacht. Seine Frau Edwina und Sohn Emil schliefen noch. Sanae-san ist ein japanischer Koch, bei dem ich im Frühjahr lernen durfte, Ramen zu kochen. Unglaublich, dass er jetzt bei uns in Hittisau am Frühstückstisch saß. Seinem wachen, staunenden Blick nach zu urteilen, war es genauso unglaublich für ihn – vom Menschenmeer in Tokio in den weiten grünen Bregenzerwald.
Ich legte Eier von unserer Nachbarin ins kochende Wasser und erinnerte mich an den ersten Arbeitstag bei Sanae-san. An meinem zweiten Tag in Japan um 10 Uhr betrat ich zum ersten Mal sein Lokal harubarutei, übersetzt „von weit her kommend“, und es war wirklich weit, eine gegensätzliche Welt, alles bewegt sich anders – ohne Englisch, Japanisch oder Deutsch lernten wir uns kennen. Aber das Kochen ließ die Distanz schwinden. Durch Riechen, Schmecken, Schneiden, Ausprobieren konnten wir kommunizieren. Ich begriff, dass Kochen eine Sprache ist. Eine Art, Geschichten weiterzugeben und zu lesen, ohne Worte, durch Geschmäcker. Ich begab mich auf eine Reise zu völlig neuen Geschmäckern.